Freilerner haben keine Struktur

Unser Alltag im Wohnmobil

Diese Aussage kann ich nicht mehr hören: Freilerner haben keine Struktur! Manch einer fragt sich bestimmt, was wir so den ganzen Tag lang machen, wenn wir im Wohnmobil leben. Diese Frage kann ich gut nachvollziehen. Denn es ist nun mal ein ganz anderes Leben als das „normale“ Leben im Haus mit einem Tagesablauf, der sich jeden Tag ähnelt. Dass aber Freilerner keine Struktur haben, um später gut zurecht zu kommen, ist nicht immer der Fall.

Wenn du dir also auch diese Frage stellst, wie wir so unseren Tag verbringen und ob es dabei nicht langweilig wird, bist du hier genau richtig. Ich nehme dich mit, in einen ganz „normalen“ Tag von uns. Du erfährst wie man auch als Freilerner in einer Reisefamilie Struktur in seinen Alltag bekommt und dass wir uns dabei ganz und gar nicht langweilen.

Struktur der Freilerner: Unser Morgen und Vormittag

Als erstes möchte ich dir gern sagen, dass auch wir trotz Reiseleben unserer Arbeit nachgehen. Nur können wir sie uns ganz anders und individuell einteilen. Dafür steht mein Mann auch gegen sechs, halb sieben auf und genießt die Ruhe vor dem Sturm. Er setzt sich dann einfach mit seinem PC an unseren Tisch und arbeitet.

Während die Kinder nach und nach gemütlich aufwachen und ein Hörspiel hören oder leise spielen, nutze ich meist die Chance und schlafe bis ca. halb acht.

Während ich aufstehe und mich fertigmache, ist mein Mann sportlich aktiv. Zweimal in der Woche nimmt er dabei auch unseren Elfjährigen Sohn mit, damit dieser sich gut auspowern kann. Dann bereiten wir zusammen das Frühstück vor. Unser gemeinsames Frühstück beginnt meist gegen neun Uhr und verläuft ganz in Ruhe. Diese Zeit nutzen wir, um den bevorstehenden Tag zu besprechen. Wir reden darüber, was wir geplant haben und was sich jeder von uns vornehmen will. Da werden Dinge aufgeführt, wie Gitarre spielen, Schreiben üben, Lesen, Anton App machen, Sprache lernen oder zu einem bestimmten Themengebiet etwas zu recherchieren.

Nach dem Frühstück waschen und trocknen wir gemeinsam das Geschirr ab. Dann wappnet sich jeder seiner Aufgabe. Die Kinder sind dabei sehr konzentriert und „arbeiten“ selbstständig. Dabei können auch sie als Freilerner eine gewisse Struktur verinnerlichen und ausbauen.

So sind wir den Vormittag über immer gut beschäftigt. Es gibt natürlich auch Tage, an denen nehmen wir uns eine Stadtbesichtigung oder ähnliches vor. Dann brechen wir gleich nach dem Frühstück auf. Wenn die Kinder fertig sind mit ihren Vorhaben gehen sie raus und spielen entweder nur zu dritt oder mit anderen Kindern, die gerade vor Ort sind.

Das freie Spielen – ohne Struktur?

Manchmal ist es natürlich auch so, dass unsere Kinder direkt nach dem Abwasch nach Draußen gehen, weil andere Kinder da sind.

Aber das Spielen ist nicht einfach nur Spielen. Auch dabei lernen Kinder ganz existenzielle Dinge und gehen einer gewissen Struktur nach. Sie nehmen Rücksicht aufeinander, schätzen andere Menschen und Situationen ein, spielen soziale Rollen nach, hören einander zu, testen Lösungsvorschläge aus, bauen Buden und andere Dinge und und und. So können sie im Spiel gelernte Strukturen und Verhaltensnormen anwenden, austesten und verarbeiten. Daher ist das freie Spiel sehr wichtig und nicht nur als „die Spielen doch den ganzen Tag nur“ abzuwerten.

Willst du mehr über die Sozialisation unter Freilernern erfahren? Dann schau dir den folgenden Artikel an: https://freihoch5.de/freilernen/soziale-kontakte-der-freilerner/

Nachmittag als Familienzeit

Zur Mittagszeit kommen wir wieder alle zusammen und essen meist eine Kleinigkeit. Danach wird der Nachmittag ganz individuell gestaltet. Mal gehen wir zusammen an den Strand oder auf einen Spielplatz. Dann wiederum machen wir einen Stadtbummel oder einfach einen Spaziergang. Der Nachmittag ist meist Familienzeit. Wenn wir aber an einem Ort stehen, an dem es viele Kinder gibt, spielen unsere Kinder meist den ganzen Tag mit den anderen und die Erwachsenen führen intensive, tiefgründige Gespräche miteinander. Auch diese Zeiten sind für uns wichtig, der Austausch mit Gleichgesinnten. Solche Momente geben uns und den Kindern Halt und daraus ergibt sich für uns wiederum eine feste Struktur.

Struktur am Abend

Am Abend bereiten wir als Familie oftmals gemeinsam das Essen zu und essen dann in gemütlicher Runde. Das ist für uns meist Erzählzeit, jeder berichtet, was für ihn an diesem Tag besonders war. Wir stellen immer wieder fest, wie wichtig unseren Kindern diese Gespräche sind. Keiner mag so richtig aufstehen nach dem Essen, jeder hat immer noch etwas zu berichten. Genau deshalb ist es uns als Familie auch so wichtig und richtig, uns die gemeinsamen Essenszeiten einzurichten. Dadurch nehmen wir uns Zeit mit- und füreinander. Jeder fühlt sich gehört und angenommen und findet Halt. Nach unserem Abendessen waschen wir wieder gemeinsam das Geschirr ab und die Kinder machen sich bettfertig. Dann ist oftmals Vorlesezeit, Kuschelzeit oder die großen Kinder lesen für sich. Manchmal dürfen die Kids auch einen Film oder eine Serie schauen.

Freilerner haben keine Struktur: Fazit

So geben wir unseren Kindern durchaus eine gewisse Struktur an die Hand. Jeder Tag hat seinen Ablauf mit festgelegten Zeiten für Essen, Zusammensein und Schlafen. Dadurch, dass sich diese Struktur immer wiederholt, können sich unsere Kinder daran orientieren und lernen auch für sich selbst, strukturiert vorzugehen. Auch wenn sie nicht den typischen Tagesablauf haben, wie Schulkinder, so können sie sich dennoch an diesen Vorgaben festhalten. Wir lassen unsere Kinder nicht einfach den ganzen Tag unbeaufsichtigt mit anderen Kindern spielen und herum räubern. Sondern wir sind da, geben Zeiten vor und geben ihnen eine gewisse Grundstruktur und damit Halt.

Natürlich gibt es auch diese Reisefamilien, die ihren Kindern keine Vorgaben geben. Deren Kinder sind tagsüber mehr oder weniger sich selbst überlassen und haben keinen Halt. Somit können sie auch (meines Erachtens nach) keine innere Struktur aufbauen, die ihnen dabei hilft, sich in der Welt zurecht zu finden. Ich erlebe solche Kinder als „verwahrlost“. Sie kennen kaum soziale Werte und können sich nicht oder nur wenig im Gruppengeschehen einfügen. Wahrscheinlich werden sie auch später Schwierigkeiten haben, sich anzupassen.

Pauschal zu sagen, dass Freilerner keine Struktur kennen, finde ich dennoch übertrieben. Ja, es gibt mit Sicherheit diese Freilerner. Aber wir haben während unserer Reise schon genug Familien kennengelernt, bei denen diese Behauptung nicht zutrifft. Auch bei unseren Kindern ist es definitiv nicht der Fall. Wir haben einen zwar lockeren aber dennoch strukturierten Tagesablauf, der sich wiederholt. Und wer sagt eigentlich, dass Schulkinder durch die Strukturen und Vorgaben von Außen auch für sich selbst in der Lage sind, Struktur aufzubauen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch unter den Schulkindern genug gibt, die innerlich sehr aufgewühlt sind und keine innere Struktur haben. Sie passen sich im Schulalltag vermutlich auch nur geringfügig an, fallen aber immer wieder mit „schlechtem Verhalten“ auf. Somit sei nicht gesagt, dass Kinder nur durch einen Schulalltag lernen können, eine gewisse Struktur für sich selbst aufzubauen.

Schlussendlich ist es meines Erachtens nach sehr wichtig, den eigenen Kindern von Anfang an eine Struktur vorzugeben. Daran können sie sich festhalten und orientieren und somit einen inneren Halt aufbauen. So sind sie irgendwann selbst in der Lage, strukturiert vorzugehen oder Arbeiten zu erledigen. Wenn wir unseren Kindern einen strukturierten Tagesablauf vorleben, werden sie es uns auch früher oder später nachahmen.

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